Es begann mit Beobachtungen bei Heimkindern

Rückblick von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Theodor Hellbrügge


Als unbezahlter Volontärarzt der Universitätsklinik München musste ich die außerdienstliche Zeit nutzen, um den Lebensunterhalt für meine Familie zu verdienen. Das hieß für mich, in der Früh bereits um 7 Uhr Unterricht geben an der sozialen Frauenschule München - heute Fachhochschule für Sozialpädagogik - und in der Mittagspause Mütterberatung für das Gesundheitsamt abhalten. Während die Kollegen sich erholten oder Tischtennis spielten, fuhr ich in verschiedene Stadtviertel und beriet 30 bis 40 Mütter von Säuglingen. Um 16 Uhr kehrte ich wieder in die Klinik zurück.

 

Im Winter 1945/46 beobachtete ich in der Mütterberatung Thalkirchen 5 bis 6 fast zweijährige Kinder, die auf den ersten Blick wegen ihrer körperlichen Größe und ihrer hübschen Physiognomie auffielen. Bei näherem Hinsehen waren diese Kinder indes nicht normal:
Die Kinder sprachen noch kein Wort, zeigten eine retardierte Motorik, waren nicht imstande, selbständig mit dem Löffel zu essen. Sie fielen auf durch ihren leeren Gesichtsausdruck und vor allem durch eine unglaubliche Angst. Sobald ich mich ihnen auch nur von weitem näherte, schrieen sie auf. Aber das Krankheitsbild, das sie zeigten, stand in keinem kinderärztlichen Lehrbuch, und es war auch mit den klassischen Mitteln der Medizin und Kinderheilkunde nicht zu diagnostizieren: Ich habe ihm später den Namen "Deprivationssyndrom" gegeben.

Das Schicksal dieser Kinder hat mich nie verlassen. Lange Zeit später erfuhr ich, dass diese Kinder kurz nach der Geburt in Heime gekommen waren und dort von wechselnden Bezugspersonen erzogen wurden. Ein wesentlicher Grund für ihre Fehlentwicklungen schien der Mangel an Zuwendung gewesen sein; eine Ursache, die bis dahin in diagnostische oder therapeutische Überlegungen kaum einbezogen wurde. Für mich ergab sich die dringende Notwendigkeit, nach einem Instrument zu suchen, mit dessen Hilfe diese Krankheiten diagnostiziert werden konnten.

Wir entwickelten ein Verfahren, das heute als "Münchener Funktionelle Entwicklungs-Diagnostik " weltweit anerkannt ist. Mit diesem Instrument untersuchten wir damals über 500 Säuglinge in über 50 Heimen. Die Ergebnisse waren überraschend: Schon wenige Monate Erziehung in altersgleichen Gruppen in einem Heim führten zu einem Rückstand in fast allen Funktionsbereichen.

Abb.
Ein völlig gesundes Kind, das mit sechs Wochen in ein Heim aufgenommen wurde, hatte im Alter von 13 Monaten eine Sprach- und Sozialentwicklung von nur 5 Monaten.

 
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